„Ich habe ein schlechtes Gewissen, fühle mich schuldig.“
Bitten wir hier unsere Klienten genauer zu beschreiben, was sie mit diesen Worten meinen (ohne die Begriffe Schuld und Gewissen zu benutzen), so beschreiben sie uns unangenehme Empfindungen in Verbindung mit Gedanken daran, etwas getan, gedacht, empfunden, etwas gesagt zu haben oder etwas zu wollen, was nicht <gut> ist, was <schlecht> ist. Noch weiter gehend ist die Idee oder Wahrnehmung, selbst nicht gut zu sein.
Menschen verheddern sich im Selbstverständlichen. Was habe ich gelernt „richtig“ zu nennen ? Was „falsch“? [Etwas oder jemanden geschädigt zu haben, Unrecht getan zu haben, etwas unterlassen zu haben, den eigenen Werten nicht entsprochen haben, usw]
Wir reagieren reflexhaft auf Zuschreibungen von „Gut“ oder „Schlecht“. Ganz gleich, ob von uns selbst oder von anderen kommuniziert.
Glauben wir, dass andere Fehler gemacht haben, fordern oder erwarten wir einen Ausgleich in Form von Wiedergutmachungen oder Strafen. Und wir verlangen von ihnen eine Einsicht, ein „Wissen des Schlechten“, das sie getan haben, (verbunden mit den oben genannten, mehr oder weniger unangenehmen, Empfindungen.)
Wenn unsere Klienten klagen, sie hätten ein „schlechtes Gewissen“ lohnt es häufig, kurz dem Ausmaß des Schadens nachzugehen, der angerichtet wird oder wurde. Hier kommen in der Regel drei Maßstäbe zum Einsatz, der der Geschädigten, der der Täter und der von nicht unmittelbar Betroffenen.
(Dies gehört alles noch zum Bereich der Klärung des Anliegens; wir müssen hier der Versuchung widerstehen, uns ganz automatisch oder zu früh mit d e r Seite der Klienten zu verbünden, die das s.G. gerne los wäre!!)
Gute Fragestellungen können sein:
o Was genau halten Sie sich vor ?
o Worin besteht der Schaden ?
o Haben Sie Ihr Bestes getan in dem Moment oder haben Sie zum gegebenen Zeitpunkt gewusst, dass Sie es eigentlich besser können ?
o Möchten Sie es (wieder) gut machen?
o Glauben Sie, Sie können es (wieder) gut machen ?
Skalierungen helfen den Klienten hier dabei, sich zu orientieren und genauer zu spüren, wo Sie stehen und was sie selbst für richtig halten. So entsteht für sie mehr Freiheit zu wählen, ob sie ihre unangenehmen Schuldgefühle als Motivation für eine Klärung nutzen möchten und zum Beispiel noch offene <Schuldverhältnisse> durch angemessene Wiedergutmachung ausgleichen oder ob sie die Dinge auf sich beruhen lassen möchten oder auch wie sie nach möglicherweise nicht wieder gut zu machenden Fehlern (z.B. verursachter Unfalltod) weiter leben möchten. Es kommt für uns hier darauf an, unsere eigene Lebenserfahrung zurückzustellen und den Klienten dabei zu erlauben, einen ganz eigenen Weg zu finden; zum Beispiel mit Hilfe unserer Frage nach den ersten Zeichen dafür, dass unser Gespräch sich gelohnt haben wird. Bringen wir genügend Geduld und Disziplin auf und bleiben konsequent hinter unseren Klienten, so können wir uns immer wieder beeindrucken lassen von verblüffend einfachen, sehr kreativen oder auch besonders berührenden Lösungs‐ansätzen, die das „gute Gefühl“ wieder hervorbringen und wachsen lassen. Neben, trotz und auch hin und wieder wegen des „Wissens des Schlechten“.
Ich wünsche uns allen in diesem Sinne die nötige Nachsicht, Geduld, Aufmerksamkeit und Genauigkeit im Umgang mit den Gefühlen „nicht gut“ zu sein oder gewesen zu sein. Seien es die unserer Klienten oder auch unsere eigenen.
Herzliche Grüße, Christoph